Bsp. Die höchste Erhebung im Süden Naumburgs (Saale) ist ein Berg ohne Namen, eine bewachsene Deponie
https://youtu.be/XIRE16Mdc30
Je mehr man schaut fällt es auf: die ganze Gegend der höchsten Kuppe im Naumburger Süden besteht aus Abfällen, über die die Natur gewachsen ist. Die Recherche erbringt: es ist eine alte Deponie. Typischerweise werden solche Orte heute aus der Umweltpädagogik verdrängt und besitzen nicht einmal einen Namen, denn ihre Geschichte ist meist eklig, schambesetzt, verdrängt oder vergessen. In der existierenden Naturpädagogik geht es oft nur um das Erkennen von Tieren, Pflanzen und Naturzusammenhängen. Auch viele Naturschützer wissen oft nicht um die Belastungen der von ihnen betreuten Areale und das Vorhandensein von Müllschüttungen und Altlastenmeldungen (Bsp. Windknollen / Jena). In der Forschung um Kulturlandschaft ist das Wissen darum auch nicht vorhanden, man wähnt es wiederum bei Naturschützern. So jedenfalls argumentierte man in der Beantwortung auf einer Tagung zu Kulturlandschaft. Die seit 25 professionelle Bearbeitung aller Bilder und Narrative zu Natur führte eben gerade dazu, dass nicht mehr bekannt ist, dass in jedem Bundesland über über zehntausende Altlastenareale existieren und dazu tausende Müllkippen, Asbestverkippungen, Kampfmittelreste und verschmutzte Böden. All dies zählt erst gar nicht zu Altlasten im Sinne des Gesetzes. Eine weitere zu beobachtende Tendenz ist das Auflesen von Abfällen, die Anzahl an Sammelaktionen und Akteuren ist seit mehreren Jahren kontinuierlich gestiegen. Ich finde es angeraten, daher darauf aufmerksam zu machen, dass Abfälle und Abfallorte oft schon nach wenigen Jahren unkenntlich werden. Schon ein Millimeter Krume oder der Laubfall eines Jahres führen zu Unsichtbarkeit. Viele meinen bei den Bildern, man könne den Müll auflesen, da er offenkundig nur oberflächlig liege. Ich hoffe, dieser und die vielen anderen Filme machen deutlich, dass man bei den allermeisten Orten immer nur die Spitze des Eisbergs sieht. Heute also eine Tour zum höchsten Berg in Naumburgs Süden, eine alte Müllkippe. Abgedeckt zeigt sich dennoch am Fuß, was in ihr steckt, und dass man noch jahrelang, so lässt der Befund vermuten, immer wieder Abfälle dort abschüttete. Auch in Naumburg gibt es noch viele weitere solche Areale, die der ansässigen Bevölkerung oft unbekannt sind. Naturbilder sind heute zumeist aus einigen wenigen und immer gleichen Elementen aufgebaut: Blattgrün, Rindenbraun, ein Tiergesicht (Wolf, Luchs, Wildkatze usw.), dann folgen oft Himmelsblau, Menschlachen und ein Weg. Diese Darstellungsart wird selten von den Akteuren vor Ort erstellt, vielmehr sind professionelle Mediengestalter und Bilddatenbanken heute Normalität im Arbeitsalltag. Tausende Faltblätter, hunderte Broschüren (sogar amtliche) und Internetseiten sind mittlerweile damit ausgestattet und formen das, was man wahrzunehmen lernt.
Fortsetzung der Recherche in Naumburg (Saale)
Auf dem Thüringer Luftbildserver sind vier neue Luft(schräg)bilder von Naumburg aus dem Jahr 1945 aufgetaucht. Im zuge der ersten Recherche war die Vermutung entstanden, dass unterhalb der Deponie vorher auch ein Steinbruch bzw. Tagebau gewesen ist, da in der Umgebung ebenfalls Abbauspuren vorhanden sind. Und siehe da, zufälligerweise ist der Winkel der einen Aufnahme genau in die Richtung oberhalb des Rosengartens, wo ein großflächiger Abbau zu sehen ist. Unten in ungefähr der Bildmitte des Gesamtbildes ist der Marktplatz von Naumburg.
Dass heißt, dass nicht nur der Hügel oberhalb des Bürgergartens (Video oben) komplett aus Abfall besteht, sondern nochmals unterhalb mehrere Meter Verfüllungen mit Abfällen aller Art vorhanden sind (nutzbare Erden wurden im Regelfall nicht in eine Grube entsorgt). Dieses Vorgehen der Weiternutzung von Grubenbauen war typisch für die Jahrzehnte des 20. Jh. Heute nennt man die Verfüllung etwas beschönigend "Versatzstoff", wenn bspw. giftige Aschen (Bestandteile durch Gemische fixiert) in Bergwerke gebracht werden. Die allermeisten Deponien dieser Art sind heute vergessen, man sieht es ja am Naumburger "Berg". Auch um Apolda, Weimar, Erfurt, Glauchau usw. sind die höchsten Erhebungen ehemalige Mülldeponien, die nach einigen Jahren dann aus dem Altlastenkataster als "saniert" ausgetragen werden. Obwohl man feststellte, dass in großen Tiefen keine oder kaum Verrottungsprozesse stattfinden. Wie es auch sei, der Mensch ist vergesslich, Naturräume mit solchen Altlasten werden heute nachweislich "umerzählt"; nach 30 Broschüren und 25 Jahren, und Namen wie "Wildnis" und "Naturerbe" ist nicht mehr bewusst, dass dort Müllkippen und Altlasten in der Krume liegen. Auch Umweltorganisationen wissen dies meist nicht. Schriftliche Auskünfte bei den Behörden kosten 64 € Arbeitsaufwand pro Stunde.
Lizenz- und Quellenangabe der Luftbilder:
dl-de/by-2-0 / Lizenztext unter www.govdata.de/dl-de/by-2-0
(c) GDI-Th, Freistaat Thueringen, TLVermGeo
Bild wurde bearbeitet
Bildnummer 194579_0170_pan.tif
Bildflugdatum: 11.04.1945
Bsp. Eine typische Dorfmüllkippe bei Rodameuschel (bei Camburg / Thüringen)
https://youtu.be/AEFzIeXK5zI
Sie werden sich sicher wundern, warum es einen Film über eine Exkursion zu einer Dorfmüllkippe gibt. Daher ein paar Vorinformationen. Über die Natur und die Kulturlandschaft werden jedes Jahr über hundert Broschüren, Zeitschriften, Faltblätter und Homepages, sowie zehntausende Bilder produziert. Dabei wird nie vermittelt, dass unsere Landschaft voller alter Müllkippen und Altlastengebiete des letzten Jahrhunderts ist. Es wird auch nicht vermittelt, dass der Boden vieler Naturschutzgebiete oft mit Altlasten und Abfällen dieser letzten Jahrzehnte durchsetzt ist. Es gibt zehntausende Müllkippen und Abfallplätze, die nur mit Gras bewachsen sind, oder die unter Laub und grünen Zweigen verborgen und meist nicht wahrnehmbar für das menschliche Auge sind. Das kommt daher, weil wir wegen der vielen positiven Naturbilder verlernt haben, anderes wahrzunehmen. Man glaubt nach dem Studium der heutigen Naturdarstellung oft, dass alles in Ordnung sei, oder das allenfalls nur ein paar "Siedlungsreste" herumliegen. Kulturlandschaft wird heute i.d.R. als idyllische, historisch gewachsene Landschaft gezeigt, die nur aus angenehm wirkenden, ästhetischen Anordnungen besteht, und die allergrößtenteils auch nur positive Geschichte zeigt. Sie ist Teil der positiven Identitätsherstellung und des Tourismusmarketings. Dadurch gehen aber viele Bildungsinhalte verloren. Schon fast wie eine Art Wirtschaftsfaktor werden "Naturschutz" und "Kulturlandschaft" mit Marketingwerkzeugen behandelt, mit Storytelling, Storyscrolling, typisierten Inhalten und Narrativen behandelt und ausgestattet. Die Realität der kleinen und großen Müllkippen und Abfallorte um jeden Ort, und die großen Deponien und Industriekippen aller Art um und in den Städten wird oft nicht mehr gewusst. Man sieht anfangs nur Gras und ein Millimeter Krume ist blickdicht. In der Aufzählung fehlen noch die in vielen ehemaligen Militärareale mit Kampfmittelresten und den auch dort vorkommenden Müllkippen der einstigen Nutzer. Asbest, Kampfmittel, Müllablagerungen und belasteter Boden zählen auch nicht im Sinne des Gesetzes zu Altlasten. Die Liste von Altlasten und Altlastenverdachten ist in Thüringen nicht öffentlich. Heute also eine Müllkippe bei Rodameuschel bei Camburg in Thüringen. Wie man auf dem Geländemodell sehen kann, sind zwei Bereiche besonders interessant, weil hier die natürliche Bodenform abweicht. Dass heisst also, dass hier größere Massen bewegt und verändert wurden. Die Müllkippe Rodameuschel liegt östlich des Ortes zu einem Tal hin, in dem auch Trinkwasser gewonnen wird. Im ersten Anblick des Geländemodells zeigen sich zwei Erosionsrinnen im Hang, die irgendwie befüllt erscheinen. Sie sind hier blau und rot dargestellt. Wie die Begehung zeigen wird, ist der blaue Teil zumindest im oberen Bereich Müllkippe und Abfallplatz gewesen, nicht beräumt und nur überwachsen. Im roten Teil ist die aktuelle Müllkippe des Ortes. Obwohl verboten, wird mitunter immer noch alles hineingeschüttet. Man sieht bei der Begehung, dass sie schon seit Jahrzehnten benutzt wurde.